Berta Adler


Geburtsname
Bianka Reuß
Geburtsdatum und -ort
28. September 1873 in Ottensoos (Bayern)
Sterbedatum und -ort
29. Juli 1941 in Frankfurt am Main
Beruf
Hausangestellte, Weinhändlerin
Wohnadressen in Sinsheim und den Stadtteilen (heutige Nummerierung)
- 1877 bis 1900: Sinsheim, Bahnhofstraße 1 (Abbruch 1954, Nachfolgebau)
- 1900 bis 1903: Sinsheim, Bahnhofstraße 30 (alte Nummerierung, Abbruch 1974)
- 1903 bis 1939: Sinsheim, Muthstraße 13
Biografie
Bianka, genannt Berta, Adler wurde am 28. September 1873 in Ottensoos (Bayern) geboren. Ihre Eltern waren der zuletzt in Bamberg wohnhafte Hopfenhändler Gustav Gerson Reuß und Amalie Reuß geb. Koburger.
Berta Reuß kam im Februar 1894 nach Sinsheim in den Haushalt von Max und Lina Adler. Diese betrieben das Gasthaus Pfälzer Hof und wohnten auch dort. Berta Reuß arbeitete zunächst als Hausangestellte. Später zog sie mit um in das neue Haus in der Muthstraße. Lina Adler starb im März 1910, und Max Adler heiratete auf Wunsch seiner verstorbenen Frau am 11. Juni 1911 Berta Reuß. Ihre Tochter Hildegard und deren Zwillingsbruder kamen am 12. März 1912 auf die Welt. Der Junge wurde jedoch tot geboren. Max Adler starb am 10. Oktober 1926 in Ludwigshafen an einem Herzschlag.
Wenige Tage später annoncierte Berta Adler im Sinsheimer Landboten, dass sie das Weingeschäft weiterführen würde. Ihre Tochter Hildegard unterstützte sie und später stieg wohl auch ihr Schwiegersohn Saly Wolf aus Neidenstein in das Geschäft ein. Zum 1. Juli 1938 meldete Berta Adler das Weinhandelsgeschäft ab. Im Dezember 1938 beantragte sie eine Kennkarte. Der Antrag wurde mit einem großen roten "J" für Jude gestempelt, ein Passfoto aufgeklebt, mit ihren Fingerabdrücken und ihrer Personenbeschreibung versehen. Zudem bestätigte ihr der Sinsheimer Bürgermeister Rieg mit seiner Unterschrift, dass sie bis zum Inkrafttreten des Reichsbürgergesetzes in hiesiger Gemeinde das Bürgerrecht besessen habe. Dessen Aberkennung bedeutete auch den Verlust der Bürgergabe.
Saly Wolf wanderte im Juni 1938 aus, seine Frau, Bertas Tochter Hildegard, folgte ihm im Mai 1939. Zuvor hatten beide Frauen im März 1939 das Haus an den Bankvorstand Heinrich Schmitt verkauft. Berta Adler durfte laut Kaufvertrag weiter dort wohnen. Jedoch musste sie im Oktober 1939 ihre Wohnung räumen, weil eine Telefonzentrale des militärischen Nachrichtendienstes darin eingerichtet wurde. Sie fand zunächst Unterschlupf im Nachbarhaus bei Familie Moritz Ledermann und dann in einem Krankenhaus in Mannheim. Von dort zog sie im Dezember 1939 nach Frankfurt am Main in das jüdische Altersheim im Reuterweg 91. Sie verstarb am 29. Juli 1941 im Krankenhaus der jüdischen Kultusvereinigung. Berta Adler wurde auf dem neuen jüdischen Friedhof unter denjenigen beerdigt, die den Freitod wählten, "um nicht lebend in die Hände der Häscher zu fallen, als Fracht zum Transport in die Vernichtungslager" (Vorwort des Oberrabbiners Dr. Szobel in Diamant).
Berta Adlers älterer Bruder Joseph Reuß, der spätere Oberlandesgerichtsrat in Augsburg bzw. München, seine Frau Sophie und deren Schwester Ida wurden in der Shoah ermordet. Ihre Schwester Emma starb 1942 ebenfalls durch Selbstmord.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 735; SNH A 783; SNH A 784; SNH A 785; SNH A 786; SNH B 218; Heirats-Hauptregister der Gemeinde Sinsheim, Amtsgerichts Sinsheim, für das Jahr 1911, Nr. 26; Sammelakten zum Heirats-Register, Nr. 26; Sterbe-Hauptregister der Gemeinde Sinsheim, Amtsgerichts Sinsheim, für das Jahr 1912, Nr. 12.
- Generallandesarchiv Karlsruhe, 377 Nr. 18884; 508-2 Nr. 44501.
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 99 /001 Büschel 161.
- Standesamt Sinsheim, Geburts-Hauptregister der Gemeinde Sinsheim, Amtsgerichts Sinsheim, für das Jahr 1912, Nr. 19.
- Standesamt Ludwigshafen, Sterberegister 1926, Nr. 830.
- Standesamt Frankfurt am Main, Sterberegister 1941, Nr. 962 V.
- Adolf Diamant: Durch Freitod aus dem Leben geschiedene Frankfurter Juden 1938–1943, Frankfurt a. M. 1983.
- Friedrich Gustav Adolf Reuss: "Dunkel war ueber Deutschland. Im Westen war ein letzter Widerschein von Licht". Autobiographische Erinnerungen (Oldenburgische Beiträge zu jüdischen Studien 9), hrsg. v. Ursula Blömer/Sylke Bartmann, Oldenburg 2001.
- Verein zur Förderung der Jüdischen Geschichte und Kultur Bambergs (Hrsg.): Gedenkbuch der jüdischen Bürger Bambergs. Opfer des nationalsozialistischen Terrors 1933-1945, Bamberg 2008.
- Joseph Reuß, in: Stadtarchiv München (Hrsg.): Biografisches Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945.
Bildnachweise
- Generallandesarchiv Karlsruhe, 377 Nr. 18884
- Privatbesitz
Autorin
Wiltrud Flothow