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Bahnhofstraße 1: Pfälzer Hof
Baujahr
unbekannt
Abbruchjahr
1954
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
- 1747: Johann Michael Zoress d. Ä., Bäcker
- 1766: Peter Zoress, Bäcker und Straußwirt
- 1787: Johannes Rudolph, Bäcker und Zöllner, aus Mingolsheim
- 1829: Philipp Jakob Rudolph, Küfer, Bierbrauer und Ratsverwandter
- 1838: Wilhelm Hochstetter
- 1850: Leopold Marx und Mina Marx geb. Fleischer
- 1877: Max Adler und Lina Adler geb. Marx
- 1900: Ludwig Frey, Gastwirt, und Maria Frey geb. Aberle
- 1902: Friedrich Anton Bauer, Gastwirt
- 1920: Stadtgemeinde Sinsheim
Verortung
- Situationsplan über die Stadt Sinsheim zum Behuf der neuen Strassen und Baulinien (1841): Nr. 264
- Lagerbuch der Gemeinde Sinsheim, Bd. 1 (1890 ff.): Nr. 560
- Einwohnerbuch des Amtsbezirks Sinsheim (Ausgabe 1937): Bahnhofstraße 717
- aktuelle Adresse des Nachfolgebaus: Bahnhofstraße 1
Baugeschichte
Das Anwesen des Pfälzer Hofes bestand ursprünglich aus zwei Grundstücken mit Häusern: aus einem kleineren Eckhaus und einem größeren zur Bahnhofstraße hin mit Durchfahrt, einem Innenhof und Hintergebäuden. Es ist zu vermuten, dass schon bald nach dem Brand 1689 beide ursprüngliche Häuser wieder erbaut worden waren.
Um 1800 erfolgten bauliche Veränderungen. Nach dem 1829 erstellten neuen Grundbuch wurde das Gasthaus zur Pfalz beschrieben und sein Wert eingeschätzt: "a. 2stöck Wohnhaus [das Eckhaus] mit der Schildgerechtigkeit zur Pfalz am Marktplatze 3500 fl. [Gulden], b. 2stöck Anbau, woran im untern Stock Stallung, im obern aber Wohnzimmer eingerichtet sind, c. Scheuer und Stall 500 fl., d. Anbau mit Brauerei und Brennerei 300 fl., e. 3stöck Anbau mit Schweineställe und Holzremise 200 fl.". Nachbarn waren einerseits die Witwe von Jakob Körber und andererseits Friedrich Schmitt.
1865 bestand das Anwesen aus einem steinernen Wohnhaus, einem Anbau mit Wohnung und Küche, ebenfalls aus Stein gebaut, sowie einem Anbau mit Wohnung und Durchfahrt. Das Alter der drei Gebäude wurde mit ca. 60 Jahren angegeben. 1891 wurde der Anbau mit Wohnung und Durchfahrt teilweise abgebrochen und neu erstellt.
Um 1895 umfasste der Gasthof ein zweistöckiges Wohnhaus, ein weiteres zweistöckiges Wohnhaus mit Durchfahrt und Metzig (Schlachtbank), einem zweistöckigen Wirtschaftsgebäude mit Remise und einem dreistöckigen Wirtschaftsgebäude mit Schopfen und Abtritt sowie einer Scheuer. 1902 wurde das Wohnhaus modernisiert. Es erfolgte der Einbau von Wasserleitungen, elektrischen Leitungen und einer Klingel sowie im Anbau ebenso elektrischen Leitungen.
Nach dem Abriss 1954 entstand an seiner Stelle ein Wohn- und Geschäftshaus.
Um 1750 wurde am Eckhaus vermutlich von der katholischen Familie Zorres eine Mondsichelmadonna angebracht. Familie Rudolph, die das Anwesen danach besaß, war ebenfalls katholisch. Die Madonna stand fast 200 Jahre – auch in der Zeit, als das Gasthaus in jüdischem Besitz war. 1939 versuchten zwei offensichtlich regimetreue Männer, sie aus ihrer Nische zu stoßen. Der benachbarte Friseurmeister Fritz Rohleder aus der Bahnhofstraße verhinderte es. Heute ist die Madonna im Lapidarium des Stadtmuseums Sinsheim zu sehen.
Nutzungsgeschichte
Gesicherte Eigentumsverhältnisse für den Gebäudeteil zur Hauptstraße gibt es erst ab 1747. Johann Michael Zorres d. Ä. hatte das "Haus, Höflein und Scheuerlein Stall auch alles was nied und nagelvest ausser Bettladen und Schränk die ohne Verletzung des Hauses können weggenommen" von den Kindern des Hans Georg Lutz für 900 Gulden erkauft. Die Lage wurde beschrieben als in der "Stadt auf dem Marck[t]". Michael Zorres sowie seine Söhne Peter und Franz Jakob waren Bäcker von Beruf. Sie betrieben zusätzlich ein Straußwirtschaft. Auch der nachfolgende Eigentümer, Johannes Rudolph, war Bäcker und zusätzlich Zöllner. Er starb 1799. 1800 heiratete seine Witwe, Maria Josepha geb. Körner aus Kirchheim bei Heidelberg, den aus Nierstein stammenden Matthias Mohr, Straßenbauinspektor des Amtes Hilsbach. Inwieweit sie die Straußwirtschaft weiterführten oder gar Gastzimmer zur Verfügung stellten, ist unklar. Erst der Sohn Philipp Jakob Rudolph wurde ausdrücklich "Gastgeber zur Pfalz" genannt.
1840, zu Zeiten Wilhelm Hochstetters, gab es in Baden ein großes Manöver des VII. Deutschen Bundesarmeekorps, und Sinsheim erlebte Einquartierungen im großen Stil. Im Gasthaus zur Pfalz bei Hochstetter wurden vier Offiziere und ein Diener untergebracht. Darunter war Prinz Wasa, eine königliche Hoheit aus Österreich, mit Adjudant. Im "Allgemeinen Bad- und Gasthofslexicon für Deutschland und die angränzenden Länder" heißt es 1841: "Die Bedienung wie Küche und Keller sind zu loben. Auch die innere Einrichtung ist modern und der Zeit angemessen".
Leopold Marx war Bäcker, Konditor und Gastwirt. Er bildete Lehrlinge im Bäcker- und Konditorenhandwerk aus. Zu Ostern gab es Konfekt bei ihm zu kaufen. Wein in Fässern bot er mehrfach zum Verkauf an – auch über die Straße. Bälle fanden im Pfälzerhof statt. 1858 verkehrte regelmäßig ein Omnibus zwischen Sinsheim und Heidelberg. Die Kutschen fuhren vom Pfälzer Hof ab. Der Tanz- und Anstandslehrer Julius Eisenhut gab 1866 im Pfälzer Hof Tanzunterricht und lud dazu Herren und Damen, "besonders Letztere", ein. Die "berühmte hellsehende Dame" bot ihre Dienste 1869 im Zimmer Nr. 3 des ersten Stocks an. 1877 stellte Marx mehrere Wochen lang einen Saal im Gasthaus als Betsaal zu Verfügung, da die Synagoge wegen "Verherrlichung" geschlossen war. Leopold Marx war zudem Agent für das Auswanderergeschäft "Die Hoffnung". Bei dem Verkauf an seine Tochter und seinen Schwiegersohn, Max Adler, behielten sich Leopold Marx und seine Frau neben dem Gastzimmer Nr. 10 ein weiteres als Wohnung vor. Zudem waren 16.000 Mark zu bezahlen. Der Vertrag listet auch die übergebene Einrichtung auf: Tische, Bänke, drei Lampen im Wirtszimmer, Tisch, gepolsterte Bank, Billard, Klavier, Lampe und Uhr im Speisezimmer.
Max Adler arbeitete als Metzger, Gastwirt und Weinhändler. Er folgte der Tradition seines Schwiegervaters Leopold Marx und veranstaltete regelmäßig Bälle, u. a. anlässlich des Laubhüttenfestes. Adler stellte bei Einquartierungen von Truppen auch "Kost und Logis" zur Verfügung.
Sein Nachfolger Ludwig Frey bewarb 1901 den Pfälzer Hof mit folgenden Worten: "Das Gasthaus zum 'Pfälzer Hof', am verkehrsreichsten Platze hiesiger Stadt [Sinsheim], in nächster Nähe des Rathauses und der beiden Kirchen gelegen, eignet sich ganz besonders zur Abhaltung von Hochzeiten."
1916 wurde der Pfälzer Hof geschlossen. Die Stadt Sinsheim erwarb den Gebäudekomplex 1920 und richtete dort Mietswohnungen ein.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 1167; SNH B 13; SNH B 17; SNH B 28; SNH B 66; SNH B 190; SNH B 312; SNH B 535.
- Der Landbote Nr. 49 vom 18. Juni 1850; Nr. 94 vom 7. Oktober 1851; Nr. 6 vom 14. Januar 1858; Nr. 94 vom 6. August 1864; Nr. 123 vom 13. Oktober 1866; Nr. 64 vom 29. Mai 1869; Nr. 78 vom 5. Juli 1877; Nr. 100 vom 25. August 1877; Nr. 112 vom 22. September 1877; Nr. 121 vom 10. Oktober 1878; Nr. 116 vom 2. Oktober 1879; Nr. 99 vom 24. August 1882; Nr. 112 vom 21. September 1886; Nr. 122 vom 16. Oktober 1900; Nr. 47 vom 20. April 1901, Zweites Blatt.
- Wilhelm Bauer: Drei Jahrhunderte Sinsheimer Gasthausgeschichte (1700-2000) (Sinsheimer Hefte 15), Sinsheim 2011.
- Bernhard Erbach/Wilhelm Bauer (Bearb.): Sinsheim. Register der evangelischen Kirchenbücher, 4 Bde., Sinsheim 2001.
- Bernhard Erbach/Wilhelm Bauer (Bearb.): Sinsheim. Register der katholischen Kirchenbücher, 2 Bde., Sinsheim 2002.
Bildnachweise
- Stadtarchiv Sinsheim
- Stadtmuseum Sinsheim
Autorin
Wiltrud Flothow
Hauptstraße 102: Wohn- und Geschäftshaus der Familien Blum und Kohn
Baujahr
um 1700
Abrissjahr
1985 (nach Brand)
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
- vor 1750: Hans Georg Fleck
- 1750: Hans Georg Doll der Jüngere
- 1841: Friedrich bzw. Heinrich Gemehle und Leonhard Hoffmann, Metzgermeister
- 1842/1847: Leopold Apfel, Kaufmann
- 1866: Karl Blum, Kaufmann
- 1906: Emilie und Max Kohn
- 1942: Deutsche Reichsfinanzverwaltung
Verortung
- Situationsplan über die Stadt Sinsheim zum Behuf der neuen Strassen und Baulinien (1841): Nr. 259
- Lagerbuch der Gemeinde Sinsheim, Bd. 1 (1890 ff.): Nr. 554
- aktuelle Adresse (Nachfolgebau): Hauptstraße 102
Baugeschichte
Das Haus wurde kurz nach 1700 erbaut, dann mehrfach umgebaut, erneuert und erweitert. So erfolgte ein Umbau 1880. Das Alter wurde zu diesem Zeitpunkt mit 75 Jahren angegeben. Die Scheuer war 1867 rund 150 Jahre alt. 1898 kam ein Magazin mit Waschküche und Wohnung dazu.
Im Lagerbuch (1890 ff.) wurde das Anwesen beschrieben als ein zweistöckiges Wohnhaus, das 1931 einen zweistöckigen Anbau mit Küche und Kontor bekam. Hinzu kam eine zweistöckige Scheuer mit Waschküche und gewölbtem Kellerraum.
1899 wurde vor dem Haus eine der vier elektrischen Bogenlampen errichtet, welche die Hauptstraße erleuchteten.
Die neuen Eigentümer ließen das Haus und die Scheune 1954/55 umbauen und mit dem Nachbarhaus (Hauptstraße 104) vereinen. 1985 brannte das Anwesen ab.
Nutzungsgeschichte
Nach der Stiftsrenovation von 1750 hatte Hans Georg Doll der Jüngere das Haus von Georg Fleck übernommen. Am 5. Mai 1795 erwarb der Sattlermeister Andreas Gemehle ein Viertel, d. h. den unteren Teil des Hauses, von Jakob Kunzelnick, am 29. März 1814 dann den oberen Teil des Hauses von den Erben des Bauern Georg Brecht, der schon 1784 eine Hälfte des Hauses besessen hatte. Andreas Gemehles Witwe verkaufte am 11. Dezember 1841 ihre Hälfte des Hauses an Friedrich resp. Heinrich Gemehle, die andere Hälfte an den Metzgermeister Leonhard Hoffmann. Leopold Apfel übernahm 1842 von Leonhard Hofmann bzw. 1847 von Heinrich Gmehle beide Haushälften und richtete 1842 einen Kaufladen darin ein. Der Kaufmann Leopold Apfel ist der einzige Jude in der Liste der Hauptbeteiligten des Amtsbezirks Sinsheim bei dem "Aufruhr" 1848/49. Danach soll er die Stelle eines "Wühlers" bekleidet haben.
Am 8. März 1866 erwarb der Kaufmann Karl Blum aus Weiler von Leopold Apfel und seiner Frau Therese die zweistöckige "Behausung" mit Scheuer, Stallung, Hofreite und Einfahrtsrecht für 3.700 Gulden. Für die Ladeneinrichtung im Laden und Nebenzimmer waren zusätzlich 300 Gulden zu entrichten. 1906 ging das Haus an Blums Tochter Emilie und ihren Mann Max Kohn. Im Oktober 1940 wurden Max Kohn und seine Frau Emilie nach Gurs deportiert. Die deutsche Reichsfinanzverwaltung eignete sich 1942 das Haus an und verkaufte es am 9. Dezember 1942 an die Mieter des Hauses für 18.000 Reichsmark. Der Steuerwert betrug 1933 20.000 Reichsmark. 1951 waren die Gebäude im Besitz der ungeteilten Erbengemeinschaft der Kinder des Ehepaars Kohn Ruth Emilie Palm geb. Kohn bzw. deren Tochter Ruth, Else Loeb geb. Kohn, Richard Kohn und Erna Kohn. Sie hatten 1948 einen Rückerstattungsantrag gestellt. Von ihnen erwarben 1952 Karl Schumb und seine Frau Auguste geb. Zebelin die Gebäude.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 786; SNH A 1704; SNH B 14; SNH B 16; SNH B 19; SNH B 28; SNH B 29; SNH B 36, SNH B 40; SNH B 56; SNH B 190; SNH B 518; SNH B 520.
- Generallandesarchiv Karlsruhe, 236 Nr. 8510.
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 99/001 Bü 161.
- Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 402-24 Bü 1264.
- Der Landbote Nr. 33 vom 18. März 1899.
Bildnachweise
- Stadtarchiv Sinsheim
Autorin
Wiltrud Flothow
Hauptstraße 88: Wohn- und Geschäftshaus der Familie Seligmann
Baujahr
um 1700
Abrissjahr
1973
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
- 1703 Johann Georg Hilspach, reformierter Pfarrer und Inspektor
- 1730 Reformierte Geistliche Administration
- 1858 Leopold und Manasses Reinach
- 1894 Ludwig und Heinrich Frank
- 1900 Abraham Seligmann
- 1927 Fanny Seligmann
- 1937 Christian Heinrich und Marie Kern
Verortung
- Situationsplan über die Stadt Sinsheim zum Behuf der neuen Strassen und Baulinien (1841): Nr. 343
- Lagerbuch der Gemeinde Sinsheim, Bd. 1 (1890 ff.): Nr. 28 a
- aktuelle Adresse (seit 1973 Nachfolgebau): Hauptstraße 88
Baugeschichte
Schon 1703 wurde an dieser Stelle ein Haus im Privatbesitz des Pfarrers und Inspektors Johann Georg Hilspach erwähnt. 1730 verkauften seine Erben das Gebäude an die reformierte geistliche Administration, die dort ein Pfarrhaus einrichtete. 1762/63 wurde das Haus umfassend erneuert und erhielt durch den Bildhauer Paulus Erlacher ein aufwändiges Portal ähnlich dem an dem früheren katholischen Pfarrhaus.
Um 1900 zu Zeiten der Familie Seligmann wurde das Haus durch den Architekten Dick nochmals umgebaut. Er entfernte das Portal und baute es in seiner Villa am Hünenbergweg ein. 1921 erfolgten Umbaumaßnahmen im Auftrag von Abraham Seligmann.
Nach 1956 wurde das Haus bzw. Geschäftshaus durch Christian Kern modernisiert. 1973 erfolgte der Abriss. Bei den Gründungsarbeiten für den Neubau wurde der Rest eines Pfahlzaunes aus römischer Zeit gefunden.
Nutzungsgeschichte
Zuvor im Privatbesitz, wurde das Haus seit 1730 als erstes reformiertes Pfarrhaus genutzt. Stadtpfarrer und Dekan Karl Wilhelmi wohnte dort bis zu seinem Tod 1857. Zu Wilhelmis Amtszeit bestand es aus einem zweistöckigen Wohnhaus nebst Anbau aus Stein, einem Anbau mit Schweineställen und Schopfen halb aus Stein, einem Anbau mit Stallung aus Stein, einer Scheuer mit Balkenkeller (der untere Stock aus Stein) sowie einem Nebenbau mit Holzschopfen. Das Pfarrhaus wurde am 8. Februar 1858 von Manasses und Leopold Reinach für 4.260 Gulden ersteigert. Der Verkauf erfolgte trotz des Protestes der Gemeinde auf Anordnung des Oberkirchenrats, "weil es sich in seiner baulichen Beschaffenheit wegen zu einem Pfarrhaus nicht mehr eignet".
Die Brüder Reinach betrieben in dem Haus ein Warengeschäft. Nach 1894 vermieteten die neuen Besitzer, die Brüder Ludwig und Heinrich Frank, das Gebäude, u. a. ab 1897 an Gustav Weil, bis dieser sein eigenes Haus in der Bahnhofstraße beziehen konnte. Auch Max Adler nutzte Teile des Hauses. Abraham Seligmann aus Rohrbach erwarb 1900 das Haus für 16.000 Mark und betrieb darin ein Manufaktur- und Konfektionsgeschäft. Die Bestandteile des Anwesens waren ein zweistöckiges Wohnhaus mit eineinhalbstöckiger Scheuer und gewölbtem Keller, eine einstöckige Stalllung und Futterboden, ein zweistöckiges Magazingebäude mit Durchfahrt und Balkenkeller, eine zweistöckige Stallung und Heuboden sowie ein zweistöckiges Abortgebäude. Zeitweise verkaufte er auch Möbel. Er übergab das Haus 1927 an seine Tochter Fanny. Abraham Seligmanns Sohn Hermann erhielt 1935 die Erlaubnis, das Geschäft zu übernehmen. Die Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte trafen auch die Firma Seligmann. So verkaufte Hermann Seligmann 1937 den gesamten Vorrat an Manufakturwaren und Bekleidung. Der Gewerbebetrieb der Firma Abraham Seligmann hörte auf zu bestehen. Fanny Mayer geb. Seligmann verkaufte das Haus 1937 an die Eheleute Kern für 17.500 Reichsmark. Christian Kern betrieb an gleicher Stelle ein Geschäft und hatte Kleidung, Stoffe, Kurzwaren usw. in seinem Angebot.
Seit 1973 sind wechselnde Geschäfte, Büros und Praxen in dem Neubau.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 735; SNH A 785; SNH A 786; SNH A 1750; SNH B 4; SNH B 80; SNH B 190; SNH B 560.
- Stadtverwaltung Sinsheim, Bauakten.
- Generallandesarchiv Karlsruhe, 222 Nr. 122.
- Hauptstaatsarchiv Stuttgart, EA 99/001 Bü 161.
- Der Landbote Nr. 33 vom 18. März 1921.
- Rhein-Neckar-Zeitung vom 13. Oktober 1973.
- Wilhelm Bauer: Die ehemalige jüdische Gemeinde von Sinsheim. Ihre Geschichte und ihr Schicksal (Sinsheimer Hefte 10), Neuaufl. Sinsheim 2011.
Bildnachweise
- Stadtarchiv Sinsheim
- Stadtmuseum Sinsheim
Autorin
Wiltrud Flothow
Kleine Grabengasse 3: Wohnhaus von Friedericke Häußler
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
Muthstraße 11: Wohn- und Geschäftshaus der Familie Ledermann
Baujahr
1896
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
- 1896: Ferdinand und Johanna Oppenheimer geb. Kahn sowie Siegmund und Sara Oppenheimer geb. Ottenheimer
- 1911: Moritz Ledermann
- 1940: Beschlagnahmung
- 1942: Deutsche Reichsfinanzverwaltung/Finanzamt Sinsheim
- 1945: Sallo Fred Ledermann
Verortung
- Lagerbuch der Gemeinde Sinsheim, Bd. 1 (1890 ff.): Nr. 239
- Einwohnerbuch des Amtsbezirks Sinsheim (Ausgabe 1937): Muthstraße 765
- aktuelle Adresse: Muthstraße 11
Baugeschichte
1895 kauften die Fruchthändler Ferdinand und Siegmund Oppenheimer von Franz Rebmann das Grundstück in der Muthstraße, einen Hausgarten mit Gartenhaus. Im gleichen Jahr begann der Bau des Hauses. Der Landbote berichtet am 19. Oktober 1895: "Mit der Fertigstellung [...] wird unsere Stadt abermals eine bemerkenswerte Bereicherung ihrer architektonischen Zierden zu verzeichnen haben". Den Dachstuhl fertigte Zimmermeister Philipp Kreß und die Maurerarbeiten besorgten die Herren Häußler und Bauer. Es entstand ein zweistöckiges Wohnhaus mit Kniestock, zwei gewölbten Kellern, einer Waschküche sowie einer Holzremise mit Geflügelhaus. Der Bau wurde im Juni 1896 fertiggestellt.
In den 1950er Jahren kam es zu geringfügigen baulichen Veränderungen für eine Zahnarztpraxis.
Nutzungsgeschichte
In dem Haus waren zwei Wohnungen mit je fünf bis sechs Zimmern. Es ist anzunehmen, dass die Brüder Oppenheimer das Haus als Wohnhaus nutzten und auch ihren Handel von dort aus betrieben. Moritz Ledermann kaufte das Haus 1911 und verwendete es in gleicher Weise. Eine Wohnung war für ihn und seine Familie selbst, die zweite vermietete er, so z. B. 1926 an den Rechtsanwalt Erwin Bergdolt. Das Adressbuch von 1937 nennt für das Haus "Ledermann, Moritz, Lederwarenhändler, Muthstr. 765, Telefon 320" sowie den Reichsbahnoberinspektor i. R. August Riesterer. Nach der Pogromnacht 1938 wohnte kurzfristig die Familie Krell bei Familie Ledermann, da das eigene Haus verkauft und die Ersatzwohnung in der Synagoge zerstört worden war. Ebenfalls fand Berta Adler Unterkunft bei Ledermanns, als ihre Wohnung nach Kriegsbeginn von der Wehrmacht beschlagnahmt worden war.
Das Grundstück mit Haus eignete sich 1941 nach der Deportation der Familie Ledermann der Staat zwangsweise an und stand ab 1942 unter der Deutschen Reichsfinanzverwaltung. Die Wohnungen wurden vermietet. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt Sallo Ledermann als einzig überlebendes Mitglied der Familie die Immobilie zurück und verkaufte sie dann weiter. Von den 1950er bis 1970er Jahren beherbergte das Haus zunächst die Praxis eines Zahnarztes und dann die eines Kinderarztes.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 54; SNH B 190; SNH B 567.
- Stadtverwaltung Sinsheim, Bauakten.
- Generallandesarchiv Karlsruhe 465c Nr. 23573; 508-2 Nr. 44501.
- Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 402 Bü 1268.
- Der Landbote Nr. 124 vom 19.10.1895; Nr. 7 vom 17. Januar 1911.
- Adalbert Nagy (Hrsg.): Einwohnerbuch des Amtsbezirks Sinsheim. Ausgabe 1937, Stuttgart 1937.
Bildnachweise
- Stadtarchiv Sinsheim
Autorin
Wiltrud Flothow
Muthstraße 13: Wohn- und Geschäftshaus der Familie Adler
Baujahr
1903
Besitzgeschichte (in Auszügen bis 1945)
- 1903: Max Adler und Lina geb. Marx, dann Max Adler und Bianka gen. Berta Adler geb. Reuß sowie Tochter Hildegard Adler
- 1939: Heinrich Schmitt
Verortung
- Lagerbuch der Gemeinde Sinsheim, Bd. 1 (1890 ff.): Nr. 241
- Einwohnerbuch des Amtsbezirks Sinsheim (Ausgabe 1937): Muthstraße 766
- aktuelle Adresse: Muthstraße 13
Baugeschichte
1902 kauften Max und Lina Adler einen Hausgarten (Lagerbuch Nr. 241) von Sophie Christine Katharina Schütz, der geschiedenen Ehefrau des Sägmüllers Karl Beetz. Sie ließen darauf ein Wohnhaus errichten. Die Pläne erstellte im Februar 1903 der Heidelberger Architekt Ludwig Jahn (1871–1961). Geplant wurden im Dachgeschoss neben dem Speicher zwei Kammern und ein Closet, vermutlich für das Dienstpersonal, im Erdgeschoss und ersten Geschoss je ein Schlafzimmer mit Loggia, ein weiteres Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein Herrenzimmer, ein Fremdenzimmer, Küche, Bad und Speisekammer sowie im Kellergeschoss vier Weinkeller, eine Waschküche und zwei Wirtschaftskeller. Der Schlussstein über dem Hauseingang trägt die Initialien des Bauherrn.
Die Versicherungsbeilagen beschreiben das im September 1903 fertiggestellte Haus: "Wohngebäude mit Eisenbalkenkeller, 2stöckig, Kniestock, aus Stein". Extra versichert werden: eine Freitreppe, ein Erker, Dachzimmer, ein Turm und der Giebel. Im Juni 1903 wurde auch kostenlos eine Wasserleitung bis zur Grundstücksgrenze des Max Adler gelegt.
In den zwei Folgejahren wurde an dem Haus weiter gebaut. 1905 hatte es einen mittleren Bauwert von 30.000 Reichsmark. 1939, beim Verkauf des Hauses, waren dort, wie schon bei der Wohnungszählung 1927, drei Wohnungen – sowohl im Erdgeschoss als auch ersten Stock je eine mit jeweils fünf Zimmern und im Dachgeschoss eine mit drei Zimmern. Im Juni 1939 entwarf der Sinsheimer Regierungsbaumeister Richard Fischer Pläne zum Einbau einer Garage im Kellergeschoss. Zudem sollte ein großer Teil der Fenster verändert werden.
Nutzungsgeschichte
Die Familie Adler wohnte in dem Haus bis 1939. Max Adler betrieb von dort aus eine Weinhandlung, die seine Witwe, Berta geb. Reuß, nach seinem Tod 1926 weiterführte. Später wurde sie dabei von ihrer Tochter Hildegard und ihrem Schwiegersohn Saly Wolf unterstützt. Laut der Aussage ihres Enkels war sie durchaus erfolgreich. Berta Adler meldete in einem Schreiben an das Bürgermeisteramt ihr Geschäft zum 1. Juli 1938 ab. Laut dem Adressbuch (Ausgabe 1937) wurde das Haus von Berta Adler, Hildegard und Saly Wolf sowie dem Gipser Wilhelm Wolf bewohnt.
Am 1. März 1939 schlossen Berta Adler und Hildegard Wolf mit dem Bankvorstand Heinrich Schmitt einen notariellen Kaufvertrag, wonach sie ihm das Haus zu 17.500 Reichsmark verkauften. Der badische Steuerwert des Hauses betrug 30.000 Reichsmark, der Einheitswert 21.000 Reichsmark. Die Verkäuferin und ihre Tochter sollten die Parterrewohnung nebst Mansarde bis zu ihrer Auswanderung nutzen dürfen. Bis zum 1. Oktober 1939 blieb die Bereitstellung unentgeltlich. Die Kreisleitung der NSDAP billigte den Kaufvertrag. Der niedrige Kaufpreis wäre gerechtfertigt, da z. B. in den Wohnungen keine Holzfußböden vorhanden seien.
Quellen und Literatur
- Stadtarchiv Sinsheim, SNH A 735; SNH A 785; SNH A 786; SNH A 1621; SNH A 1704; SNH B 188; SNH B 190; SNH B 449; Bauzeichnungen des Hauses der Familie Adler (1903, 1939).
- Generallandesarchiv Karlsruhe, 237 Zugang 1967-19 Nr. 7.
- Der Landbote Nr. 123 vom 18. Oktober 1926.
- Adalbert Nagy (Hrsg.): Einwohnerbuch des Amtsbezirks Sinsheim. Ausgabe 1937, Stuttgart 1937.
- Bericht von Bernard Wolf, Toronto, bei seinem Besuch in Sinsheim (Oktober 2023).
Bildnachweise
- Stadtarchiv Sinsheim
Autorin
Wiltrud Flothow